Die Fenster im Chorraum

Die Glasfenster im Chorraum stammen aus dem Atelier Linnemann und Söhne (Frankfurt am Main). Sie orientieren sich an mittelalterlichen Vorbildern, z.B. an Rogier van der Weyden (15.Jh.). Thematisch beziehen sie die Legendenbildung um Maria Magdalena mit ein (im Unterschied zu den Fresken).

Von besonderem Reiz ist im Mittelfenster die Begegnung der Maria Magdalena und dem Auferstandenen (Johannes 20, 17: „Rühre mich nicht an“ – „Noli me tangere“). Das Nordostfenster thematisiert die Kreuzabnahme sowie die Szene mit der Sünderin Maria Magdalena. Im Südostfenster sehen wir die Darstellung der Grablegung.

Nordostfenster

Mittelfenster

Südostfenster

Noli me tangere

Maria-Magdalena als Namenspatronin unserer Gemeinde hat nach dem Evangelisten Johannes eine kolossale Unruhe in sich, als der Sabbat nach dem Tod Jesu vergangen war. Als wenn sie der Landes-Reklame von Sachsen-Anhalt voraus wäre, steht Sie schon nachts auf. „früh, da es noch finster war“(20,1). Sie hält es nicht im Bett, sondern sie rennt zum Grab, sie will Trauerarbeit leisten. Und dann geht es hin und her, zu Petrus und der Jüngerschar. Sobald die sich auf die Socken machen, macht auch sie sich wieder zum Grab. Das Trauern war ja nur unterbrochen. Jetzt (V.11) weint sie erst recht. Gemüt und Gedanken sind wie benommen, sie könne mit dem leeren Grab nicht umgehen. Und selbst die weißgekleideten Engel können sie nicht beruhigen. Ihr fehlt der Leichnam Jesu: der Herr, auch im verstorbenen Zustand. In diese Leere mischt sich der lebendige Herr selbst ein – aber wer will das fassen und „begreifen“? Der nüchtern denkende Mensch, unsereiner? – Zaghaft, ein kleinwenig siegesgewiss richtet sich unser Blick auf das Ost-Achsen-Fenster unserer Magdalenen-Kapelle: Man sieht ihn schon seit über hundert Jahren so: Christus, der Auferstandene nähert sich der weinenden Nachfolgerin. Sie war auf die Knie gegangen, ein bisschen verwirrt, andererseits nach jedem Strohhalm greifend, streckt sie die Hand aus nach dem „Fremden“. Wie aus der anderen Welt Gottes, der Oster-Welt, spricht er sie an, und zwar mit zwei zarten Fragen: „Frau, was weinst du?“ (So hatten schon die Engel gefragt) und dann: „Wen suchst du?“ Jetzt ist die Zeit, dass Maria-Magdalena eine Meinung hat: „Sie meint, es sei der Gärtner.“ Was geht in einem solchen Menschen-Kopf vor sich, wenn der leibhaftige Christus vor ihr steht und ihre Augen nichts als den Friedhofsgärtner vor sich haben? „Sie meint, sie wähnt, es bot sich ihr der Anschein, es sei der Spatenträger. Aber den hat die Linnemannsche Glasmalanstalt geflissentlich auf das Seitenfenster verlegt. Im Zentralfenster: Die „Rechte Hand“ Jesu trägt die Harke, an der die Oster-Sieges-Fahne befestigt ist.

Ausschnitt aus dem Mittelfenster

Liebe Freunde, Jesu hat also alle Hände voll zu tun, um seiner Gemeinde seine Gegenwart zu zeigen, zwar nicht „handgreiflich“, also auch nicht „begreiflich“- Noli me tangere! (Rühre mich nicht an!). Aber doch so, dass ihr Name genannt ist: Maria – und sie antwortet Rabbuni! Wir werden die Begegnung mit unserem auferstandenen Herrn zu Ostern feiern, ohne die Hände, aber mit unserer Sprache. Zu Hilfe nehmen wir die Augen, wenn wir an Ostern auf die Galerie hinaufgehen und ganz nah an die Fenster herantreten und einfach hinschauen – und uns freuen. Diese Freude werden wir dann unten weiter feiern am Altar, wenn sich der Osterheld weltweit und auch bei uns im Sakrament seines Leibes und Blutes zu essen und zu trinken selbst hergibt. Davon lassen wir uns nicht abhalten!
In dieser österlichen Gewissheit grüßt Sie Lienhard Krüger


aus: Gemeindebrief der Gemeinde St. Maria-Magdalena Nr. 2/2006
von Pfr. i.R. Lienhard Krüger (Gemeindepfarrer von 2005 bis 2011)