Geistreiches

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Der Brief

Weigere dich nicht,
dem Bedürftigen Gutes zu tun,
wenn deine Hand es vermag. (Sprüche 3,27)

Liebe Leser,

dieser Monatsspruch für den Mai 2023 passt sehr gut zu den wirtschaftlich instabilen Zeiten, in die wir immer mehr geraten. Wir denken bei „Bedürftigen“ wahrscheinlich erst mal an Menschen, die in der Fußgängerzone sitzen und betteln. Aber in finanziell turbulenten Zeiten geht es schnell, dass man selbst bedürftig wird, dass man in einer Lage kommt, wo man existenziell auf andere angewiesen ist. Ein Besuch in der Autowerkstatt, weil sich der Wagen komisch fährt und ungesunde Geräusche von sich gibt, kann schnell damit enden, dass es heißt: „Wirtschaftlicher Totalschaden – die Reparatur wäre so teuer, dass diese den Wert des Autos übersteigen würde.“ Wenn man dann aber beruflich auf das Fahrzeug angewiesen ist, weil man auf dem Land wohnt und dazu noch keine Ersparnisse für ein neues Auto hat, ist man von heute auf morgen bedürftig geworden. Bedürftigkeit kann also jeden treffen, auch mich, wenn ich zur sogenannten „Mittelschicht“ gehöre. In diese Lage spricht Gottes Wort hier im Buch der Sprüche Salomos und fordert uns Christen auf: „Wenn jemand deine Hilfe braucht, verweigere sie nicht! Kannst du ihm helfen, dann tu es auch!“ (Basisbibel)
Damit werden wir zur Diakonie, zum Dienst am bedürftigen Nächsten, aufgerufen. Diakonie klingt immer noch erst mal riesig groß. Wir sind gewohnt, das mit großen diakonischen Einrichtungen zu verbinden, mit Krankenhäusern, Diakonissenanstalten, Altenheimen, etc. Aber Diakonie, die wie die Mission eine Lebensäußerung von Kirche ist, passiert allermeist im Alltag der einzelnen Christen und Gemeinden, wo wir einander helfen, wo Hilfe notwendig ist. Da wechselt der ein oder andere Geldschein beim Händedruck den Besitzer, da wird sich zum Essen eingeladen, wenn am Ende des Gehalts noch so viel Monat übrig ist, da hilft der eine Christ dem anderen bei Reparaturarbeiten oder installiert die neue Elektrik in der Wohnung der hilfsbedürftigen Nachbarin.
Jetzt lautet ein häufiger Einwand: „Aber das ist doch nichts spezifisch Christliches. Im Judentum oder im Islam oder bei Atheisten gibt es das doch auch, dass man hilft, wo es nötig ist. Oft machen die noch viel mehr als die Christen.“ Dieser Einwand ist auf den ersten Blick berechtigt. Denn das Buch der Sprüche ist im Alten Testament und damit auch für die Juden heilige Schrift. Und für Muslime ist das barmherzige Geben eine der fünf Säulen des Islam. Auch gibt es viele säkulare Hilfswerke, die im Sinne bürgerlicher Gerechtigkeit viel Gutes tun in der Welt.
Was die Diakonie von all diesen Dingen unterscheidet, ist wovon diese Lebensäußerung von Gemeinde selber lebt. Diakonie lebt nicht davon, dass es Menschen gibt, die Mangel leiden und auf Hilfe angewiesen sind, so sehr wir uns auch immer wieder dessen bewusst werden müssen. Diakonie lebt ganz sicher nicht davon, dass wir sie tun würden, um besser vor Gott dazustehen und er uns dann vielleicht eher ins Paradies lässt. Diakonie lebt nicht vom Geld der Wohltäter, so sehr wir auf dieses Geld dabei angewiesen sind. Diakonie lebt nicht von der Menschenliebe oder davon, dass ich einen Sinn im Leben oder ein tolles Gefühl im Bauch habe, wenn ich anderen helfe. Selbst wenn einer sein ganzes Leben hingibt, um anderen damit aus ihrer Not zu helfen, ist das nicht unbedingt Diakonie. Last but not least lebt Diakonie nicht davon, damit Werbung für die Kirche und das Christentum zu machen, so sehr Mission und Diakonie immer zusammengehören.
Wovon lebt Diakonie denn dann wirklich? Sie lebt von den Gnadengaben, die der Herr Christus uns schenkt. Sie lebt von Taufe, Abendmahl, Gebet und Predigt. Das heißt Diakonie lebt von dem Herrn Christus, der sich in der Taufe mit uns verbindet und uns neues Leben schenkt. Der gewinnt durch Abendmahl, Gebet und Verkündigung immer mehr Gestalt in uns, sodass sein Wille und damit sein Gebot immer mehr unser Wille wird. So werden wir für unseren Nächsten zu „kleinen Christussen“, wie Martin Luther sagte. Wir können nur das geben, was wir selbst empfangen haben („wenn deine Hand es vermag“) und deswegen müssen wir uns von dem größten Diakon Jesus Christus immer wieder die Hände füllen lassen. Wo passiert das, wenn nicht dort, wo dieser Diakon uns vor allem dient: im Gottes-dienst.

Ihr/Euer Pastor Felix Hammer