Jahreslosung 2023

Motiv von Stefanie Bahlinger, Mössingen,
www.verlagambirnbach.de

Gedanken zur Jahreslosung

Und sie nannte den Namen des HERRN, der mit ihr redete:
Du bist ein Gott, der mich sieht.
(1. Mose 16,13)

Liebe Leser, es gibt ein Denken, das auch in Deutschland, vor allem in intellektuellen Kreisen, immer mehr um sich greift und das die Menschen wieder als Angehörige verfeindeter Gruppen ansieht. Dabei handelt es sich nicht – wie in früheren dunklen Zeiten der Geschichte – um die Gruppen der Arbeiter und Kapitaleigentümer oder Arier und Nichtarier, sondern um „Täter“ und „Opfer“. Zur Gruppe der „Täter“ zählen demnach vor allem weiße und/oder männliche Menschen. „Opfer“ hingegen sind weiblich oder irgendein anderes der (laut der hochproblematischen[!] Gender- und Queerforschung) unzähligen Geschlechter und/oder schwarz. Wer so denkt, würde Hagar, die das Bekenntnis ausspricht, das die Jahreslosung ist, wahrscheinlich schnell als Opfer ansehen und der Fall wäre klar und abgeschlossen. Aber so ist Gott nicht. Gott sieht das ganze Bild und er sieht Hagar mit ihrer ganz individuellen Geschichte:

Er sieht sie als die Magd, die er seinen Dienern Abram und Sara an die Seite gestellt hat. Er sieht, wie sie, als Abram und Sara Gottes Erbenverheißung nicht vertrauen und gegen das 6. Gebot handeln, zur Zweitfrau Abrams wird. Er sieht, wie in Hagar ein Sohn heranwächst und sie trotzig und stolz gegenüber Sara wird. Er sieht, wie sie Sara als ihre Chefin und Konkurrentin verachtet. Gott sieht, wie dann im Gegenzug Sara abschätzig mit ihr umgeht und Hagar schließlich aus ihrem Dienst wegläuft und in die Wüste flieht. Gott sieht aber nicht nur zu, wie das Schicksal seinen Lauf nimmt. Er handelt. Gott lässt Hagar, obwohl sie sich ihrer Berufung entzogen hat, nicht allein in der Wüste. Er geht mit ihr und versorgt sie, damit sie und das Kind in ihrem Bauch nicht umkommen. Noch mehr als das: Er erscheint ihr ganz persönlich in einem Boten an einem Brunnen in der Einöde. Dieser Bote ist der Sohn Gottes selbst (ein paar tausend Jahre bevor er in Jesus Mensch geworden ist), denn er spricht in der ersten Person zu ihr. Drei Dinge hat er ihr zu sagen: Zuerst ruft er sie auf, umzukehren zu Sara und Abram und sich wieder in deren Dienst zu stellen. Dann verheißt Gott auch Hagar eine große Nachkommenschaft und sagt ihr, dass ihr Sohn ein wilder Typ sein wird. Daraufhin reagiert Hagar mit dem Gotteslob und Bekenntnis: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ Hagar lobt Gott dafür, dass er in all seiner Gnade sie nicht alleingelassen hat. Sie hat erkannt: Gott war treu, obwohl sie untreu war.

Wie gut, dass wir einen Gott haben, der uns sieht mit unserer ganzen Geschichte, mit all unserer Schuld, unseren Gaben und Wachstumsbereichen! Wie gut dass wir einen Gott haben, der nicht mit uns fertig ist, egal welches Geschlecht oder Hautfarbe wir haben! Der dreieinige Gott hat keine Freude daran, dass Menschen verloren gehen, sondern daran, dass wir umkehren und (ewig) leben. Deswegen gibt er uns immer wieder Chancen und ruft uns zur Umkehr. Er geht mit, er sieht uns und er ist treu. Er hat uns gesehen, lange bevor wir selber sehen konnten, und er kannte uns lange, bevor wir irgendetwas kannten. Wer so einen Gott hat, der hat auch keine Not, andere Menschen abzuschreiben, egal ob in der Gemeinde oder außerhalb. Wenn Gott uns immer wieder die Chance zur Umkehr gibt, und er uns durch den Heiligen Geist ihm immer ähnlicher macht, dann heißt das: Er schenkt uns auch, dass wir unsere Nächsten als Leute sehen, die von Gott in diesem Leben immer wieder neue Chancen bekommen wie Hagar. Deshalb sind sie nicht einfach als „Opfer“ oder „Täter“ abzuqualifizieren.

Ihr/Euer Pastor Felix Hammer